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Bericht der Historiker Prof. Schmuhl und Dr. Winkler

Öffnete man in den 1950er und 1960er Jahren die Tür zum Johanna-Helenen-Heim,
so sah man in einen Abgrund der Willkür,
der Zerstörung, der Gewalt, der Angst
und der Einsamkeit.
Man blickte in das „Herz der Finsternis“.

Die Historiker Dr. Ulrike Winkler und Prof. Hans-Walter Schmuhl
am 26. März 2009 zum Schluß der Zusammenfassung ihrer Forschungsergebnisse.

Auf dieser Seite:
Auszug aus der Zusammenfassung des Vortrags der Historiker
Professor Schmuhl zur Glaubwürdigkeit der Homepage
Reflektion der Arbeitsgruppe am 26. 3. 2009 abends
Pressespiegel
Begrüßungsansprache des Stiftungssprechers
Vorbereitungen der ESV
Vorbereitung der FAG
Reaktionen auf Hinweis zur Veranstaltung

WDR 5 26.03.2009
Interview Klaus, Marianne, Prof. Schmuhl, Stiftungsprecher Dittrich zum Vortrag
(ausgestrahlt August 2009)
zum Anhören bitte hier klicken

Professor Schmuhl zur Glaubwürdigkeit der Homepage:

Wir kombinieren bei unserer Arbeit die auf der Homepage der Freien
Arbeitsgruppe JHH schriftlich niedergelegten Lebensberichte mit den von
uns geführten leitfadengestützten Interviews - die Interviews ergeben
mitunter neue Facetten, da die Fragen sich auf Aspekte beziehen können,
die bei der Niederschrift der eigenen Lebenserinnerungen nicht
berücksichtigt wurden. Wir "blenden" also schriftliche Lebenserinnerungen,
Interviews mit ehemaligen Schülerinnen und Schülern des JHH, Interviews
mit ehemaligen Ehemaligen und, wo dies möglich ist, Schriftquellen
"übereinander" und grenzen so "Zonen gesicherten Wissens" ab. Was die
Glaubwürdigkeit der Texte auf der Homepage angeht, so besteht für uns
"kein Zweifel", dass sie eine "dichte und belastbare Überlieferung"
darstellen, zumal die Berichte in einzelnen Fällen sogar durch
Schriftquellen aus der damaligen Zeit bestätigt werden. Die Lebensberichte
auf der Homepage sind daher "eine wichtige Quelle" - abgesehen davon, dass
das Niederschreiben des eigenen Schicksals für viele ehemalige
Schülerinnen und Schüler des JHH eine befreiende Wirkung haben dürfte.

Während der Aussprache zum Vortrag befragte eine Journalistin des epd die Historiker zur Glaubwürdigkeit der Homepage. Die Tonaufzeichung war so schlecht, dass die Gefahr einer falschen Wiedergabe der Antwort gegeben war. Die FAG hat darum Prof. Schmuhl um eine Stellungnahme zu der öffentlichen Frage gebeten. Seine Antwort steht links. Ausführungen in Anführungsstrichen sind orginale Formulierungen vom 26.03.2009.

Reflektion der Arbeitsgruppe 26. 3. 2009 abends

Es war die “Hölle von Volmarstein” und es geschahen auch Verbrechen: an behinderten Kleinkindern und Schulkindern.

Nach der Vortragsveranstaltung in der Martinskirche der Ev. Stiftung Volmarstein traffen sich Mitglieder der Arbeitsgruppe und einige Freunde und Gäste in der Wohnung des Gruppensprechers zu einem Gedankenaustausch.

Zunächst begrüßte die Arbeitsgruppe einen besonderen Gast: Erika Bach, Frau des am 08.März 2009 verstorbenen ehemaligen Gruppenmitglieds Dr. Ulrich Bach. Die Gruppe bedauerte, “dass Ulrich nicht mehr die Früchte seiner Saat miterleben kann.” Schließlich hat Ulrich Bach den Anstoß dazu gegeben, dass die Gräueltaten im JHH in den 50er und 60er Jahren aufgearbeitet werden. “An diesem Prozess war Erika permanent mitbeteiligt. Sie hat ihm stets helfend zugearbeitet, insbesondere in den letzten zwei Jahren. Erika Bach hat sich außerdem persönlich sehr für die Arbeiten der FAG interessiert.”

Einsatz für die Sache:

Hartmut Specht aus Herdecke fuhr zwischen dem 25. und 28.03.09 mehr als 3.000 km. Zunächst holte er einen ehemaligen Mitschüler aus Berlin ab und brachte ihn wenige Tage später wieder heim. Dann holte er auch unser Gruppenmitglied Wolfgang Möckel aus Holland ab und brachte auch ihn wieder zurück. Seine Frau Barbara beherbergte drei Ehemalige. Beiden an dieser Stelle: Dankeschön!

Freundschaftlicher Beistand:

Die längste Anfahrt, nämlich ca. 600 km mit dem Zug, hatte Ruth Tschabold aus Reinach in der Schweiz. Frau Tschabold ist 76. Vor 31 Jahren lernte sie MB im Rahmen einer Freizeit kennen.
Frage an Ruth: “Warum sind Sie extra zu dieser Veranstaltung angereist?”
Ruth: “Das Thema hat mich natürlich interessiert; - aber ich wollte auch bei Marianne sein.”
Frage: “Was verbindet Sie so mit Marianne?”
Ruth: “Sie gehört schon längst zu unserer Familie!”

Reflektion der Arbeitsgruppe:

HJ Gruppensprecher: „Es ist festzustellen, dass die Grausamkeiten auf der Kleinkinderstation und die sexuellen Übergriffe des Schulrektors F. in die Ausführungen der Historiker noch nicht eingeflossen sind.“

EF: “ Mich hat sehr die Stellungnahme zur Homepage von Herrn Schmuhl beeindruckt. Es ist gut, dass sie dadurch aus dieser Grauzone herauskam. Man hatte immer das Gefühl: Sie ist nicht anerkannt und man spricht ihr den Wahrheitsgehalt ab.”

CF: „Was für mich neu war, war die Tatsache, dass hinter Frau Steinigers Gewalt einfach ein System stand. Eine Philosophie kann man fast sagen.”

HJ: „Kann ich die Gewalttätigkeiten auch so verstehen, dass ein gewisses System dahinter stand, und zwar ein System in der Form, dass man uns längst abgeschrieben hat im Hinblick auf das neue Haus?“

Zustimmendes Gemurmel

KD: „Ja, ich würde es allerdings ergänzen und sagen, es gab ein System, das als Legitimation benutzt wurde, um sich unbegrenzt darauf auszuleben. Weil wichtig ist, eben immer noch diesen Unterschied zu machen. Ich wehre mich dagegen, dieses Hintergrundsystem als Entschuldigung und Erklärung zu benutzen. Es ist ja auch uns gegenüber verschiedentlich benutzt worden. Ich will sagen: “Ich verstehe, dass es so einen Hintergrund gegeben hat, der es aber ermöglicht hat, über diese Bedingungen hinaus zu gehen, und sich dann entsprechend nach eigener Empfindlichkeit auszuleben – in entsprechender Aggressivität und Grausamkeit. Das ist für mich immer wichtig: Auch das Gutachten bestätigt, dass es eben nicht nur der Hintergrund war, sondern dass es über diesen Hintergrund hinaus ging.“

MB: „Also ich habe auch empfunden, dass dieser Tag für uns alle sehr, sehr wichtig war. Ich habe jetzt das Gefühl, dass man nicht mehr an uns vorbeikommt mit irgendwelchen Ausreden. Ich fand die Ausarbeitung von Herrn Professor Schmuhl sehr gut. Mich hat fasziniert, was er und Frau Dr. Winkler, was beide so zusammengetragen haben. Und es war für mich heute ein sehr, sehr schwerer Tag; - das könnt Ihr sicher nachvollziehen. Aber ich bin froh, dass ich das durchgestanden habe. Und ja, mir hilft es für die Zukunft. Ich denke, dass Volmarstein jetzt nicht mehr an dieser Geschichte vorbeikommt. Das ist so mein Empfinden.“ 

E:„Ich möchte gerne wissen, an wen die Forderungen gestellt werden? An die Diakonie, die das Unrecht geduldet hat, oder an Volmarstein?“

KD: „Es gibt mehrere Adressaten. Der erste und wichtigste Adressat wäre erst mal die Einrichtungsleitung. Also die Verantwortlichen der Einrichtung. Sie stehen stellvertretend für die Vorgänger. Und das zweite ist eben die Frage, welche Forderungen wo hingehören. Das hat ja Herr Schmuhl sehrklar dargestellt: Wie hält man das Geschehen innerhalb der Einrichtung am Leben und in Erinnerung? Weiterer Adressat ist möglicherweise die Kirche und sind natürlich auch Politiker im Rahmen der Frage von Wiedergutmachung, also von Schadensersatz, von Schmerzensgeldern oder Ähnlichem.“

HJ: „Kann es sein, dass wir jetzt schon den nächsten Punkt diskutieren, nämlich: „Was erwarten wir nun ab dieser Veranstaltung?“

Die Anwesenden diskutierten über die Aussage von Professor Schmuhl auf die Anfrage der epd-Journalistin nach der Glaubwürdigkeit der Homepage. Der Gruppensprecher fasste zusammen: „Die Arbeitsgruppe empfindet Genugtuung darüber, dass die Historiker die Aufarbeitungen der FAG in vollem Umfang als glaubwürdig betrachten.“

KD: „Ich möchte noch unterstreichen - weil das an den verschiedenen Stellen auch immer in den Zwischengesprächen zum Ausdruck gebracht worden ist und weil sich die Historiker in dieser Richtung bedankt haben - dass die beiden Historiker das Vertrauen, das wir ihnen entgegen gebracht haben, auch verdient haben.“

HJ: „Welche Konsequenzen hat denn der heutige Tag?“

JT: „Es sind von der ESV wichtige Leute heute da gewesen, und inzwischen ist dieses auch in der Einrichtung ein Thema. Ich denke, dass bei den Mitarbeitenden in den unterschiedlichen Etagen jetzt sehr sorgfältig zugehört wird und nach der Arbeit der Arbeitsgemeinschaft in Volmarstein offensichtlich ein Besinnungswandel stattgefunden hat. Die Welle vor der Tür ist so groß, jetzt geht die Tür nicht mehr zu! Denn es war heute große Öffentlichkeit da.“

HJ: “Klaus hat vor wenigen Minuten angedeutet, eigentlich können die Konsequenzen nur sein: Durchsetzung der Forderungen an drei verschiedenen Stellen. Die erste Stelle wäre die Ev. Stiftung Volmarstein, die zweite heißt ...?“

KD: „Also, wenn du da jetzt so dran gehst, würde ich sagen, die erste Stelle ist Volmarstein, die zweite  ist der Runde Tisch.”

EB: „Wenn wir schon bei der Diakonie sind, dann müssen wir ja auch bei der Diakonie bleiben. Dann muss der Diakoniepräsident ...“

KD: „...also, Herr Kottnik müsste angeschrieben werden, weil wir von dem für die Veranstaltung auch eine Absage erhalten haben. Wir müssen ihm jetzt signalisieren: Mein guter Freund, da hast du was Wichtiges verpasst und hier musst du jetzt nacharbeiten, Schularbeiten machen.”

JT: „Gedankliche Hilfe: Er möge sich mit Pfarrer Dittrich in Verbindung setzen, damit er ihm den Vortrag geben kann.“

Die Arbeitsgruppe diskutiert über eine Pressemitteilung an die Westfälische Rundschau. Es ging unter anderem um unsere Erwartungen an den Runden Tisch.

KD: „Die Forderung an den Runden Tisch muss heißen, dass wir an ihm als Gruppe personell vertreten werden, und zwar mit einer Person unseres Vertrauens.”

HJ: „Vorschlag zum Gruppenbeschluss: Die Arbeitsgruppe fordert vom Runden Tisch, dass sie personell am Runden Tisch beteiligt wird mit einer Person ihres Vertrauens, welche die Interessen der zahlreichen anderen behinderten Opfer, die sicher in anderen Einrichtungen zu finden sind, mit vertreten soll.Die Arbeitsgruppe empfiehlt den Diplomtheologen/Diplompsychologen Dierk Schäfer aus Bad Boll.”

 

Pressespiegel

Heimbewohner über Jahre gequält und misshandelt
Dem aufmerksamen Zuhörern stockte der Atem, als die beiden Historiker, Prof. Hans-Walter Schmuhl und Dr. Ulrike Winkler, die Umstände und Gewaltakte erläuterten, unter denen die Heimkinder des Johanna-Helenen-Heims in Volmarstein leiden mussten.
...
In der Begrüßungsansprache betonte Pfarrer Jürgen Dittrich, auch Vorstandssprecher der Evangelischen Stiftung Volmarstein , die Notwendigkeit der Aufarbeitung dieser Geschehnisse und sprach darüber hinaus, allen Betroffenen sein tiefstes Beileid aus.
...
Den Berichten der Zeitzeugen nach, standen Schläge, sexuelle Nötigung und Aufforderung zur Gewalt auf der Tagesordnung. Die Isolierung, die emotionale Kälte seitens der Diakonissen, sowie die Unterbindung der Kontakte unter den Heimkindern, sorgten für wahre Angstzustände.

“Der Westen” online am 27. 3. 09
hier klicken

Eine „allumfassende Angst” war das Grundgefühl der Kinder, sagt Professor Schmuhl. „Gewalt bis hin zu rohen Misshandlungen gehörte zum Alltag”. Es gab Schläge mit der Hand, mit der Faust, mit dem Stock. Und Zwangsfütterungen, wenn es sein musste, auch mit dem eigenen Erbrochenen. Bisher ist es ruhig geblieben im Kirchenschiff, in dem gut 100 Zuhörer Platz genommen haben. Jetzt aber, und nur dieses eine Mal deutlich vernehmbar, gibt es einen Ausruf des Entsetzens, des Mitleidens: Das Erbrochene sei regelrecht in den Mund eines Mädchens zurückgeschaufelt worden, hat ein Mitarbeiter damals schriftlich festgehalten - heute ein wichtiges Zeugnis, dass die Geschichten aus dem Johanna-Helenen-Heim nicht erfunden sind.

“Westf. Rundschau” Redakion Wetter online am 27. 3. 09
hier klicken

Ulrike Winkler fasst zusammen: "In dem Heim herrschten Willkür, Zerstörung, Angst und Einsamkeit. Man blickte in das Herz der Finsternis."
Die Züchtigung sei auch nach damaliger Rechtslage als Körperverletzung strafbar gewesen, sagte Schmuhl und warf der damaligen Leitung des Sozialwerks vor, die Kinder nicht geschützt zu haben. Die Bewohner des Heims, ... forderten, dass beim Mitte Februar eingerichteten bundesweiten "Runden Tisch zur Aufarbeitung des Schicksals von Heimkindern" Misshandlungen körperbehinderter Kinder eigens behandelt werden.

“FR-online.de” am 27. 3. 09
hier klicken

Wetter: Schicksal behinderter Heimkinder

Im Behindertenheim der heutigen evangelischen Stiftung Wetter-Volmarstein sind in den Nachkriegsjahren Heimkinder misshandelt worden. Das haben jetzt Recherchen von Historikern ergeben. Rund 60 körperbehinderte Kinder zwischen 6 und 14 Jahren lebten in der Nachkriegszeit in den "Krüppelanstalten Volmarstein" - so damals der offizielle Name des Heims. Geleitet wurde es von Diakonissinnen ohne pädagogische Ausbildung, die selbst kriegstraumatisiert waren. Sie führten ein grausames Regiment. Die Kinder wurden geschlagen, eingesperrt und gedemütigt und mussten sogar ihr Erbrochenes essen. Zwei Wissenschaftler haben im Auftrag der heutigen Heimleitung die Details recherchiert. Im Herbst sollen sie als Buch veröffentlicht werden - als Geste der Annäherung und Versöhnung mit den Opfern von damals.

“WDR.de” am 28. 3. 09
hier klicken

Ev. Wochenblatt “Unsere Kirche” Nr. 16, 12. 04. 09

Irene Dänzer-Vanotti, freie Journalistin, für den Evangelischen Pressedienst (epd)

Historiker: Jahrelang Gewalt an 60 behinderten Heimkindern in Volmarstein
Hans-Walter Schmuhl und Ulrike Winkler legen Untersuchung vor
Von Irene Dänzer-Vanotti

Volmarstein. Körperbehinderte Heimkinder waren in einem Heim der Stiftung Volmarstein in den 50er und 60er Jahren körperlicher und seelischer Gewalt ausgesetzt. Zu diesem Ergebnis kommen die Historiker Hans-Walter Schmuhl und Ulrike Winkler, die im Auftrag der Stiftung die Situation im Johanna-Helene- Heim untersuchten. Die etwa 60 Mädchen und Jungen, die in diesem Heim aufwuchsen, seien geschlagen und gedemütigt worden, sagte Schmuhl am Donnerstag in Volmarstein bei der Vorstellung der Forschung. „Die Züchtigung war auch nach damaliger Rechtslage als Körperverletzung strafbar,“ sagte Schmuhl und warf damit auch der damaligen Leitung des Sozialwerks vor, die Kinder nicht vor ihren Betreuerinnen geschützt zu haben. Die Bewohner des Heims, die zum Teil noch heute in Volmarstein leben, sprachen sich dafür aus, dass beim „Runden Tisch zur Aufarbeitung des Schicksals von Heimkindern“ Misshandlungen körperbehinderter Kinder eigens behandelt werden. „Es wäre fatal, wenn Behinderte dort nicht vertreten wären,“ fügte Hans-Walter Schmuhl hinzu.

Ein Mädchen hatte sein Mittagessen stehen lassen. „Zwei Diakonissen legten sie auf den Boden, schaufelten das Essen in sie hinein und wenn sie erbrach, fütterten sie ihr auch Erbrochenes.“ Dies ist nur eine Szene der Gewalt, die die Historiker aus Gesprächen und Dokumenten über das Leben im Johanna-Helenen-Heim ermittelten. In dem Heim lebten zwischen 1945 und 1968 etwa 60 körperbehinderte Kinder und Jugendliche. Sie wurden von Königsberger Diakonissen betreut. Diese waren aber, wie die Historikerin Ulrike Winkler sagte, für diese Arbeit nicht ausgebildet. „Außerdem waren sie selbst vermutlich von Misshandlungen durch Soldaten bei Kriegsende in Königsberg traumatisiert.“ Sie hätten die Kinder mit schwersten körperlichen Strafen erzogen. Schläge auf den nackten Hintern, die Bettnässer jeden Morgen über sich ergehen lassen mussten, müssten als sexuelle Gewalt gelten, so die Historiker.

Die Lehrerin Getrude Steiniger wurde als besonders gewalttätig geschildert. Sie war selbst körperbehindert. „Bei ihr mussten Kinder stundenlang in der Ecke stehen, wenn sie nicht gehorcht hatten,“ schilderte Ulrike Winkler die Erziehungsmaßnahmen. Viele Kinder seien dabei zusammengebrochen.

Diese Methoden hatten bei aller Brutalität einen theoretischen Hintergrund aus pädagogischen Überzeugungen des frühen 20. Jahrhunderts. Krüppel, wie Behinderte damals genannt wurden, müssten durch Willenskraft ihre körperlichen Schwierigkeiten ausgleichen. Vor allem müsste alles getan werden, damit sie sich in die Gemeinschaft eingliedern. „Jedes schulfähige Krüppelkind gehört auf eine Krüppelschule.“ Das war das Motto, das auf den Pädagogen Hans Würtz zurückging. „Das Ziel war eine komplette Selbstverleugnung der Kinder,“ so die Historiker. Dieses Ziel habe vor allem die selbst körperbehinderte Lehrerein Gertrude Steiniger gedient.

In den 50er und 60er Jahren war diese Pädagogik allerdings weder zeitgemäß noch rechtlich gestattet. „In Nordrhein-Westfalen war körperliche Züchtigung schon seit 1949 nur im äußersten Notfall, bei Mädchen gar nicht erlaubt,“ sagte Hans-Walter Schmuhl, Historiker an der Uni Bielefeld. „Die Leitung der Volmarsteiner Anstalten wäre also verpflichtet gewesen, die Erzieher zu überwachen und Kinder vor Körperstrafen zu schützen.“

„Kinder, die keine Eltern hatten, waren ganz und gar schutzlos,“ erzählt Klaus Dickneite. Der 62jährige lebte zwischen seinem zweiten und 20. Lebensjahr im Johanna Helenen-Heim und ist heute Sprecher der ehemaligen Bewohner. „Ich habe einmal die Schwestern darauf aufmerksam gemacht, dass einer meiner Freunde Ohrenschmerzen hat. Daraufhin musste ich zwei Wochen lang Nachmittags und am Wochenende den ganzen Tag im Bett bleiben.“ Klaus Dickneite hatte „jedes Stigma der damaligen Zeit“. Er war „körperbehindertes, uneheliches Kind einer katholischen Mutter.“

Die Historiker bestätigen, dass Waisenkinder oder Sozialwaisen, deren Eltern sich nicht um sie kümmerten, den Diakonissen ausgeliefert waren. Uneheliche Kinder seien von den Diakonissen besonders demütigend behandelt worden.

Die ehemaligen Bewohner des Heims haben sich inzwischen zu einem Freundeskreis zusammengeschlossen und auf der Webseite „www.gewalt-im-jhh.de“ Übergriffe dokumentiert. „Die Informationen auf dieser Seite sind zutreffend und eine gute Möglichkeit der Betroffenen, ihre Lage zu schildern und sich dadurch ein wenig Erleichterung zu verschaffen,“ sagt Hans-Walter Schmuhl.

Das Johanna-Helenen-Heim wurde 1968 wegen Baumängeln am Gebäude geschlossen. „In dem Heim herrschten Willkür, Zerstörung, Angst und Einsamkeit. Man blickte in das Herz der Finsternis,“ fasste Ulrike Winkler die Erkenntnisse der wissenschaftlichen Untersuchung zusammen. Sie soll Mitte 2009 als Buch veröffentlicht werden.

Begrüßungsansprache des Stiftungssprechers

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Verfassers

 

Vorbereitungen der ESV

Auszug aus dem Schreiben der ESV an die FAG vom 28. 1. 2009

Aushang der ESV

Auszug aus dem Schreiben der ESV an die FAG vom 01. 03. 2009

Vorbereitung der FAG zum Vortrag der Historiker am 26. 03. 2009

Hinweisschreiben vom 12. 02. 2009 zur Veranstaltung der ESV am 26. 03. 2009

 Sehr geehrte Damen und Herren,

am 26. März 2009, um 15 Uhr, findet in der Martinskirche der Evangelischen Stiftung Volmarstein (ESV) in 58300 Wetter (Ruhr) eine besondere Veranstaltung statt.
Die Politikwissenschaftlerin Dr. Ulrike Winkler (Berlin) und Professor Hans-Walter Schmuhl (Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie der Universität Bielefeld sowie freiberuflicher Historiker (Agentur Zeitpsrung)) geben ihren Abschlussbericht ab. Anfang 2007 wurden sie von der Ev. Stiftung Volmarstein beauftragt, die 50er und 60er Jahre im Kinderheim Johanna-Helenen-Heim zu durchleuchten. Grund des Auftrags: Es sollen „Lieblosigkeiten“ und vereinzelt auch Gewalttätigkeiten geschehen sein.

Wie kam es zu diesem Auftrag?
Ein ehemaliges Schulkind, der Unterzeichner dieses Briefes, erhielt einen Anruf von dem Pastor, bei dem er vor 40 Jahren in der Berufsschule das Fach Religion belegte: Der Spiegeljournalist Peter Wensierski habe ein Buch über Ereignisse in Heimen kirchlicher Einrichtungen in der Bundesrepublik geschrieben. Das Evangelische Wochenblatt „Unsere Kirche“ würde gerade darüber berichten und Vertreter der Diakonie auf die Vorwürfe in dem Buch „Schläge im Namen des Herren“ reagieren. In unserem Johanna-Helenen-Heim wäre doch Ähnliches passiert.

Unter der Überschrift „Archive sind die Seelen der geschundenen Kinder“ machte ich in einem Leserbrief an „Unsere Kirche“ öffentlich, dass es Verbrechen auch im Johanna-Helenen-Heim gab.
Es folgten weitere Leserbriefe in „Unsere Kirche“. Immer mehr Ehemalige meldeten sich und berichteten ihre Kindheitserlebnisse. Diese schickten sie dem ESV-Sprecher zu. Nun fühlte dieser sich genötigt, ein viertel Jahr später in einer sogenannten „Volmarsteiner Erklärung“ selbst diesen „weißen Fleck auf der Landkarte unserer Anstalts- bzw. Stiftungsgeschichte, der gegenüber den anderen Heim- und Lehrwerkstätten unserer Stiftung offensichtlich ein schwarzer war“ aufzuarbeiten.

Mit dieser Aufarbeitung stieß er erneut auf erhebliche Kritik. So fand sich eine Arbeitsgruppe, bestehend aus fünf ehemaligen Schüler/innen, zwei ehemaligen Diakonenschülern, einer Diakonischen Helferin und dem genannten Pastor, mit dem Ziel zusammen, nun selbst dieses dunkle Kapitel der Ev. Stiftung Volmarstein (damals Orthopädischen Anstalten Volmarstein) aufzuarbeiten und eines Tages zu dokumentieren.

Die Dokumentation steht. Seit einem Jahr existiert die Homepage
www.gewalt-im-jhh.de.
Seit November 2008 existiert eine Zusammenfassung dieser Homepage und eine erste Auswertung der Erkenntnisse der Arbeitsgruppe. Danach haben nicht nur Lieblosigkeiten und Grausamkeiten, sondern auch zahlreiche Verbrechen an körperlich und/oder geistig behinderten Kleinkindern und Kindern stattgefunden.

Unter der Rubrik „Zusammenfassung der Aufarbeitung der Grausamkeiten und Verbrechen 1947 – 1969“ auf der genannten Homepage sind diese Verbrechen aufgelistet. Sie reichen von brutalsten Krückstockhieben auf Finger, Kopf, gegen den Rücken, über Faustschläge ins Gesicht und auf die Ohren, über das Schleudern kleiner Körper gegen Heizungsrohre, Aufschlagen des Kopfes auf die Pultplatten, Knüppelschläge auf zusammengebrochene Eckensteher, über Isolationsfolter, permanente psychische Bedrohung, psychische Folter, Beleidigungen bis hin zu sexuellem Missbrauch und sexuell motivierten Misshandlungen. Daneben hat man etlichen Schülern/innen die Schulausbildung verweigert, medizinische Versorgung fand nur unzureichend statt. Drei ehemalige Schüler haben eine Sprachbehinderung davon getragen, wenigstens zweien wurde ein Trommelfell zertrümmert. Vielen ist gemein, dass sie schwere Traumata davongetragen und nur wenige sich in den letzten drei Jahren zu ihrer Kindheit geäußert haben.

Dieses alles finden sie auf der Homepage. Trotz der zahlreichen Verbrechen geht die Arbeitsgruppe FAG JHH 2006 nicht mit Groll an die Aufarbeitung. Sie bot mehrfach der heutigen Stiftungsleitung an, ihre Sicht der damaligen Verhältnisse auf der Homepage darzustellen. Davon machte sie keinen Gebrauch.

Auf diese Veranstaltung weisen wir Sie ganz besonders hin. Dies auch darum, weil wir die Anregung der Ev. Stiftung Volmarstein übernommen haben, einen Beitrag zur Fort- und Weiterbildung und zur Forschung zu leisten. Ferner wollen wir Opfer anderer Einrichtungen ermutigen, ihrerseits ihre Kindheit oder Jugend aufzuarbeiten. Die Veranstaltung ist öffentlich. Wir wissen nicht, ob Sie auch seitens der Evangelischen Stiftung Volmarstein eine Einladung erhalten. Bitte überprüfen Sie, ob es Ihre Zeit zulässt, daran teilzunehmen. Im Anschluß steht Ihnen unser Pressesprecher, Herr Klaus Dickneite, für weitere Fragen zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
(Helmut Jacob) Sprecher
 

Liste der Briefempfänger
Zusätzlich wurde die überörtliche Presse über diese Veranstaltung informiert.

Reaktionen:

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