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Berlin, 14. Oktober 2009 AZ: 8830/H r (bitte stets angeben) Heimerziehung in der Nachkriegszeit
Ihr Schreiben an Präsident Kottnik vom 13.9.2009 Sehr geehrter Herr Jacob,
Herr Präsident Kottnik hat mich gebeten, Ihr an ihn gerichtetes Schreiben zu beantworten.
Im Hinblick auf den
Radiobeitrag im Deutschlandradio Kultur beziehen Sie sich mehrfach auf den unbefangenen Hörer. Wie mir scheint, sind aber gerade wir, die wir uns seit Langem mit der Materie befassen, keine solchen
unbefangenen Hörer mehr; zumindest kann ich das von mir sagen. Mit dem entsprechenden Vorverständnis werden manche Aussagen vielleicht kritischer betrachtet als sie intendiert waren. Gemeint war doch
dies: Herr Kottnik wies darauf hin, dass viele Menschen in den 50er bis 70er Jahren als Bewohner gute und sehr gute Erfahrungen in Kinder- und Erziehungsheimen gemacht haben. In seiner Funktion als Leiter einer großen Einrichtung haben ihm ehemalige Heimkinder davon berichtet, so dass er an ihren geschilderten Erfahrungen teilhaben konnte. Ich bin sehr zuversichtlich, dass gerade der unbefangene Hörer die Aussagen von Präsident Kottnik in diesem Sinne verstanden hat.
Am Ende Ihres Schreibens weisen Sie darauf hin, dass solche positiven Erinnerungen Ehemaliger ebenfalls dokumentiert werden müssen, um das schiefe Bild dieser Zeit zu korrigieren. Das wäre in
der Tat wünschenswert. Ich habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass allein der Hinweis darauf, dass es Menschen gibt, die sich gern an ihre Zeit im Heim erinnern, von manchen ehemaligen Heimkindern,
die Misshandlungen und Demütigungen erleben mussten, als Versuch angesehen werden, die Glaubwürdigkeit ihres Zeugnisses zu leugnen. Das ist aber gerade nicht unsere Intention, so dass wir uns mit der
Veröffentlichung solcher Beispiele zurückhalten.
Mit freundlichen Grüßen Dr. Michael Häusler Archivleiter
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