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Erinnerungen Ch. P.

Und sie musste dann ihren Oberköper freimachen. Dann hat sie sich da aufs Bett gelegt, und dann hat er sie abgetastet und hat dann ĂŒber ihre BrĂŒste gefahren. Und dann hat er gesagt: „Was hast du schöne Memmen.“  Dann ist sie aufgesprungen, kommt zurĂŒck ins Zimmer wirft sich ĂŒber mein Bett und weint ganz erbĂ€rmlich.

Einmal ist er wiedergekommen ins Schlafzimmer und sagte: „Na ja Prinzeschen Charlotte schlĂ€ft schon wieder.“ „Ja“, sagte er, „bei Hitlers Zeiten hĂ€tte man gewusst, was man mit diesen eins, zwei, drei,  (Dr. W. zĂ€hlte ab, und es war noch eine Vierte da aus der Einrichtung) â€“ dann hĂ€tte man gewusst, was man mit diesen Leuten macht.“

Am 21. Februar 2008 besuchte Helmut Jacob in Begleitung seiner Assistentin Magdalena Helbrecht Frau Ch. P. in ihrer Wohnung, weil sie ihm vor wenigen Wochen bereits mehrere Geschichten erzĂ€hlte, die Aufschluss ĂŒber die Zeit nach dem Krieg gaben. Ich nenne Ch. im Verlauf  der Wiedergabe des Interviews einfach Charlotte. Diese Tonbandaufnahme ist nachfolgend geringfĂŒgig ĂŒberarbeitet (missverstĂ€ndliche Satzgestaltung, zuviel „und“, als ÜberbrĂŒckung von SĂ€tzen oder Gedankenpausen etwas reduziert) wiedergegeben.

 Charlotte war 24 Jahre alt, als sie 1958 nach Volmarstein kam. „Und zwar kam ich mit einem Dekubitus in die Klinik und musste auf einer harten Matratze, die es damals gab, liegen. Es gab ganz wenige Schaumstoffmatratzen und dort kamen ganz besondere Leute darauf zu liegen. Da habe ich eine Diakonisse gefragt, ob sie nicht eine Schaumstoffmatratze hĂ€tte, und da hat sie nein gesagt.“ Dann habe eine Zimmergenossin in einem anderen Zimmer geschaut und habe gesagt, dort lĂ€ge eine Schaumstoffmatratze, die ĂŒbrig sei. Die Schwester habe aber zuvor gesagt, nein das Bett ist noch belegt.

 â€žDiese MĂ€dchen, die waren so flexibel, die gingen immer mal wieder gucken, ob dort noch eine Schaumstoffmatratze lag. Und auf einmal war das Bett frei, also war die Schaumstoffmatratze zur VerfĂŒgung. Also habe ich wieder gefragt, und dann hat die Schwester wieder gesagt, nein, die Matratze können sie nicht haben. Bald danach kam sie wieder ins Zimmer. Da sagte eine Patientin zu ihr: „Schwester Irmgard, kennen sie das 8. Gebot?“ und dann ist die Schwester rausgegangen und eine Stunde spĂ€ter hatte ich die Schaumstoffmatratze.“

 

„Und die zweite Sache, das war eigentlich der Dr. W. Ich hatte da in dem FĂŒnfbettzimmer ein sehr nettes, blondes, blauĂ€ugiges MĂ€dchen.“ – Zwischenfrage: „War das zur selben Zeit, 1958?“- „Ja. Die war 16 Jahre alt, stammte von DĂŒsseldorf. Und dieser Dr. W. - das war auch ein bißchen ein Schmecklecker. Also, das war nicht mein Fall. Er mochte dieses MĂ€dchen, aber ich ahnte ja nicht - man kann ja einen Menschen mögen – aber, dass er handgreiflich wird, das hĂ€tte ich am allerwenigsten erwartet, von so einem Arzt. Dann hat er dieses MĂ€dchen gebeten, sie soll mitkommen, weil sie doch etwas am Herzen hĂ€tte und er wĂŒrde sie einmal untersuchen. Und dann ist sie mitgegangen, ahnungslos, - so ein Arzt, der wird mir ja nichts tun. Und sie musste dann ihren Oberköper freimachen. Dann hat sie sich da aufs Bett gelegt, und dann hat er sie abgetastet und hat dann ĂŒber ihre BrĂŒste gefahren. Und dann hat er gesagt: „Was hast du schöne Memmen.“  Dann ist sie aufgesprungen, kommt zurĂŒck ins Zimmer wirft sich ĂŒber mein Bett und weint ganz erbĂ€rmlich. Sie war so geschockt, weinte, und ich sagte: „Was ist denn los, was hast du denn Erika?“  „Ach nein, dass kann ich dir gar nicht sagen.“ Dann hat sie mir erzĂ€hlt, dass er diese Äußerung gemacht hat und dass er sie angefasst hat. DarĂŒber war ich empört und ab da mochte ich den Arzt nun gar nicht. Dann war er bei mir erst mal unten durch. Ich konnte diesen Mann nicht mehr ausstehen.“

 

Jetzt erzĂ€hlt sie eine Geschichte und sagt einleitend: „Das wollte ich eigentlich gar nicht sagen.“ Erst bei weiterem Fragen berichtet sie: „Das war dann folgendermaßen. Ich kam dann ins Zehnbettzimmer rein. Und dann lag ich mit Annegret K. und noch einer Kleinen aus dem Haus Bethesda. Bethesda war ja damals in GrundschĂŒttel. Und ich hatte ja schon angefangen, meine Lehre zu machen, und weil ich ja die Vorgeschichte kannte (sie meint damit die Geschichte mit Dr. W.), da war ich sehr zornig auf Dr. W. und das hat er auch irgendwie gespĂŒrt. Und wenn er nun Visite machte, dann habe ich mich schlafend gestellt, und dann sagte er: „Ach ja, Prinzschen Charlotte schlĂ€ft schon.“ Er war selber wĂŒtend, aber vielleicht hat er etwas geahnt, dass Erika es mir damals erzĂ€hlt hat – ich  weiß es nicht. Ich habe mich immer schlafen gestellt, wenn er zur Visite kam. Ich mochte ihn nicht mehr. Ich war froh, wenn Visite war und er war nicht da. Oder ich war nicht da, weil ich im Turnsaal war. Einmal ist er wiedergekommen ins Schlafzimmer und sagte: „Na ja Prinzeschen Charlotte schlĂ€ft schon wieder.“ „Ja“, sagte er, „bei Hitlers Zeiten hĂ€tte man gewusst, was man mit diesen eins, zwei, drei,  (Dr. W. zĂ€hlte ab, und es war noch eine Vierte da aus der Einrichtung) â€“ dann hĂ€tte man gewusst, was man mit diesen Leuten macht.“

 Zwischenfrage: „War das auch 1958?“ Antwort: „Ja, 1958. Ja, ich glaube Annegret wird sich nicht mehr daran erinnern. Wir haben nie darĂŒber gesprochen, ob sie das mitbekommen hat oder nicht. Zur gleichen Zeit war einmal meine Mutter bei mir hier in Volmarstein und man sagte ihr: „Frau P., Sie mĂŒssen zum Chefarzt gehen, Sie mĂŒssen das dem Chefarzt erzĂ€hlen.“ Da wurde meine Mutter richtig animiert, sie sollte hingehen und sich beschweren. Sie traute sich nicht, zum Arzt zu gehen zu dieser damaligen Zeit. Damals hießen ja die Ärzte ‚Halbgötter in Weiß‘. Da war man irgendwie scheu und schĂŒchtern. Dann habe ich diesen Vorfall unten im Turnsaal einer Frau XXX, einer Krankengymnastin erzĂ€hlt, und die war entsetzt. Das war meine Vertrauensperson und die hatte auch nichts eiligeres zu tun, sie ging zu Dr. K. und hat im das erzĂ€hlt. Einen Tag spĂ€ter kommt Dr. K. in mein Zimmer rein, schießt auf mein Bett und sagt: „Was hat Dr. W. gesagt?“ Ich sage: „Nichts.“ „Doch, er hat was gesagt. Das muss ich wissen. Was hat er gesagt?“ Na ja, dann habe ich ihm das Gesagte wiederholt und dann ist er raus. Und dann wird er ihn wahrscheinlich zur Rede gestellt haben. ... Damals habe ich darĂŒber geschwiegen, weil mir das unangenehm war. Ich dachte, jetzt hast du gelĂ€hmte Beine, und dann wird so was gesagt: „Bei Hitlers Zeiten hĂ€tte man gewusst...“ Und heute denke ich, hĂ€tte ich zu Hitlers Zeiten gelebt, das wĂ€re nicht auszudenken gewesen. Ich sah meine gelĂ€hmten FĂŒĂŸe als Krankheit an und nicht als Schande.“

 

Zum Schluss habe ich Charlotte noch gefragt, welches Essen es um 1958 in der OrthopĂ€dischen Klinik gab. „Ich kam hier nach Volmarstein und da gab es so richtiges deftiges Essen.  Mir hat das Essen geschmeckt. Es gab zur damaligen Zeit Bratkartoffeln und ein WĂŒrstchen oder GemĂŒse und Gehacktes-Klopse und Salzkartoffeln. Es gab so richtige Kost, dass ich aufgebaut habe (damit spielt sie auf das Krankenhaus in einer anderen Stadt an, in dem sie sehr schlechtes Essen hatte). Ich hatte zugenommen, ich hatte Kraft in den Armen, also insofern war das Essen damals gut.“

 â€žHatte es da auch eine Vorsuppe gegeben?“, fragte ich. „Auch, mitunter auch, aber ich habe nie Suppe gegessen.“ Ob es auch eine Nachspeise gegeben hat, fragte ich sie, und konkret: „Gab es Obst?“ „Daran kann ich mich nicht mehr so genau erinnern.“, sagte sie,  „alle paar Tage oder so etwas.“ An diese Einzelheiten könne sie sich nicht erinnern. Wohl morgens, - wer Kaffee hatte, der konnte sich Bohnenkaffee brĂŒhen lassen. „Und dann habe ich auch oft ein Ei braten lassen, das war machbar. Das war schon 1956/1957 (ihr erster Aufenthalt in der OrthopĂ€dischen Klinik). Dann haben die Schwestern morgens, wenn ich das Ei in die KĂŒche gereicht habe, ein Ei gekocht.“ Ich habe noch einmal nachgefragt: „War das 1957/1958, dass diejenigen, die Bohnenkaffee hatten, ihn zur TeekĂŒche geben konnten?“ „Ja“, sagt Charlotte, „und dann gab es ein kleines KĂ€nnchen.“ „Hatte es auch unterschiedliche GemĂŒse gegeben?“, hatte ich nachgefragt: „Gab es auch ab und zu Salat?“ „Also ich kann mich an Einzelheiten nicht mehr erinnern“, antwortete Charlotte, „aber es gab WĂŒrstchen, Frikadellen, Schnitzel oder ein Kotelett oder einen Eintopf. Ja, also es war so durchwachsen.“

 Nach dem Krankenhausaufenthalt, so erzĂ€hlt sie, kam sie ins Jugendwohnheim. „Das Essen kam vom Margarethenhaus. Also das Essen war durchwachsen, mal schmeckte es und mal schmeckte es nicht. Mal war es  gut und es war umfangreich und mal war es auch so, dass man es nicht so gerne aß. Es gab Möhreneintopf, es gab auch mal einen Linseneintopf, dann gab es wieder einmal Fleisch und Kartoffeln und Soße und GemĂŒse dabei oder dann auch Gulasch. So schlecht war das nicht zur damaligen Zeit.“ Ich fragte: „Gab es auch mal Weißbrot oder Graubrot oder Schwarzbrot?“ Sie sagte: „Ich glaube, es gab ĂŒberwiegend dieses Kasslerbrot. Also so große Auswahl war nicht. Im Jugendwohnheim wurde mittags ein Tisch fertiggemacht. Da kam jede Menge Brot drauf, Butter, Wurst und wer Hunger hatte nachmittags, der konnte sich mittags seine Stulle fertig machen, mitnehmen in die Werkstatt und dort haben wir unsere Kaffeepause gehabt und unsere Butterbrote gegessen. Da kann ich mich erinnern, dann gab es auch viel Leberwurst, mitunter auch eine saure Gurke noch dazu. Das muss auch so 1960 gewesen sein.“

 

Jetzt noch eine Frage: „Unter welchem Buchstaben soll ich Dich aufschreiben?“

Nach einigem Überlegen sagte sie dann: „Ch. P.“ , in Anlehnung an eine ihr bekannte Person.