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Wir fordern Sie auf, eine Kehrtwendung Ihrer Einstellung zu den Verbrechen in
den Heimen vorzunehmen. Wir fordern Sie auf, nach Möglichkeiten zu suchen, wenigstens jenen, denen Ihre Rechtsvorgänger und Aufsichtsorgane vor 40 bis 60 Jahren den besonderen Schutz des Staates verweigert haben,
ein Symbol der Wiedergutmachung in Form einer Opferrente bis zum Lebensende zu zeigen. Sie, die durch dieses Versagen eine zerstörte Kindheit hatten, sollen wenigstens ein menschenwürdiges Alter erleben dürfen. Das
ist von Ihnen, von den Politikern heute, wahrlich nicht zu viel verlangt.
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An das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu Händen Herrn Regierungsdirektor Frank Wältermann 53123 Bonn Telefax 0228995274134
Ihr Schreiben an den Petitionsausschuss vom 11.03.2009 IVc2-45-Jacob/09
Sehr geehrter Herr Wältermann,
Ihr oben genanntes Schreiben hat uns entsetzt. Es stellt eine zusätzliche Verhöhnung der
Heimopfer dar, die in den 50er und 60er Jahren massiven Gewalttätigkeiten und Verbrechen ausgesetzt waren.
Sie lehnen Versorgungsleistungen unter Abänderungen des OEG, §10a mit dem Hinweis ab: „Auch die
Beschränkung einer solchen Leistungserbringung auf bestimmte Personengruppen, wie etwa misshandelte Heimkinder, kann nicht befürwortet werden, da dies eine nicht gerechtfertigte Besserstellung gegenüber anderen
vergleichbaren Personenkreisen darstellen würde.“
Das OEG, so viel müsste Ihnen bekannt sein, ist für jene Fälle gedacht, in denen Menschen durch andere Menschen Gewalt angetan wird. Durch diese Gewalt wird
der Normalzustand eines Menschen verändert. Der vorher normale Zustand eines Menschen wird durch Gewalt unnormal. Das OEG soll einen Beitrag dazu leisten, dass dieser unnormale Zustand ansatzweise wieder
normalisiert wird.
Im Falle der behinderten Heimkinder ist der Normalzustand vor dem Erleben von Gewalt und Verbrechen die angeborene oder erworbene Behinderung. Durch Gewalt und Verbrechen wurden diese
Heimkinder zusätzlich geschädigt. Sie haben in den meisten Fällen zusätzliche Behinderungen physischer und/oder psychischer Art erhalten. So haben einige in Folge völlig fehlender oder falscher medizinischer
Versorgung und/oder Therapie beispielsweise zusätzliche Hüftschäden bekommen, die irreparabel sind und deren Auswirkungen in Form von Schmerzen nur noch medikamentös halbwegs in den Griff zu bekommen sind. Andere
ehemalige Heimkinder, die vor den Gewalttaten ohne Sprachbehinderung waren, haben nun eine solche. Andere, die normal hören konnten, sind nun fast taub, weil ihnen das Trommelfell durch bloße Gewalt in Form von
Schlägen zertrümmert wurde. Einige ehemalige Kinder sind seit Jahren in psychologischer Behandlung. Viele gehören dort hin. Viele haben Heimschäden davon getragen.
Dies alles ist geschehen, weil
sämtliche staatlichen Instanzen in ihrer Aufsichtspflicht völlig versagt haben. Die damalige Bundesregierung hat per Gesetz 1961 die Heimaufsicht den Ländern, die Länder den Landesjugendämtern, übertragen.
Niemand hat überprüft, ob und wie Gesetze und Verordnungen umgesetzt wurden. Von den Landesjugendämtern haben zumindest die Menschen der Gesellschaft, die nun wirklich zu den Hilflosesten und Schutzbedürftigsten
gehören, nämlich körperlich und/oder geistig behinderte Kleinkinder und Kinder, bis zum Jahre 1967 keinen einzigen Vertreter zu Gesicht bekommen. Keiner hat überprüft, wie diese hilflosen Kreaturen dahinvegetieren.
Durch die völlige Inaktivität aller staatlichen Organe konnten solche Verbrechen mit den in Auszügen genannten Folgen erst geschehen. Das Johanna-Helenen-Heim war quasi ein rechtsfreier Raum, in dem der blanke
Terror herrschte.
Dafür tragen Sie und die Ihnen untergeordneten Behörden die Verantwortung. Sie, die damals verantwortlichen Aufsichtsorgane, haben den an sich schon schlimmen ursprünglichen Zustand dieser
behinderten Kleinkinder und Kinder durch ihr Versagen zusätzlich verschlimmert. Wenn die Opfer nun eine finanzielle Entschädigung , entweder aus einem zu ändernden OEG heraus oder im Rahmen anderer staatlicher
Hilfen fordern, so wollen sie keine „Besserstellung gegenüber anderen vergleichbaren Personenkreisen“, sondern den Versuch der Wiederherstellung des vorherigen Zustandes. Ihre Behauptung, mit Ihren Leistungen würde
eine Besserstellung bewirkt, ist ein weiterer Schlag in die Gesichter jener Opfer, die durch das Versagen der ausführenden Organe zu Opfern geworden sind.
Wir fordern Sie auf, eine Kehrtwendung Ihrer
Einstellung zu den Verbrechen in den Heimen vorzunehmen. Wir fordern Sie auf, nach Möglichkeiten zu suchen, wenigstens jenen, denen Ihre Rechtsvorgänger und Aufsichtsorgane vor 40 bis 60 Jahren den besonderen Schutz
des Staates verweigert haben, ein Symbol der Wiedergutmachung in Form einer Opferrente bis zum Lebensende zu zeigen. Sie, die durch dieses Versagen eine zerstörte Kindheit hatten, sollen wenigstens ein
menschenwürdiges Alter erleben dürfen. Das ist von Ihnen, von den Politikern heute, wahrlich nicht zu viel verlangt. Hier noch einmal ein Auszug aus dem Verbrechenskatalog, den Sie mit zu verantworten haben:
"Zu den einzelnen Misshandlungen und Straftaten z. B.: - Hiebe mit dem Krückstock auf den Kopf, gegen den Rücken, in die Kniekehle
- Schläge mit den Fäusten auf den Kopf, ins Gesicht, auf die Ohren - kindliche Körper gegen Heizungsrohre schleudern
- Aufschlagen des Kopfes auf die Pultplatte bzw. Einquetschen zwischen die Flügel der klappbaren Schultafel
- Traktieren der "Eckensteher" mit dem Stock - wenn sie gefallen sind - solange, bis sie wieder aufstanden - Zwangsfütterung (selbst des Erbrochenen)
Weitere Gewalttätigkeiten bestanden in der Ausübung psychischer Gewalt z. B.: - Kleinkinder mit dem "Bullemann" oder der Leichenhalle drohen
- Kleinkinder und andere Kinder in permanente Angstzustände versetzen durch Drohungen, unangekündigte Schläge, Schlafentzug, unkontrollierte Gefühlsausbrüche
- Isolationsfolter, stundenlanges, tagelanges, wochenlanges Einsperren im Badezimmer, dunklem Abstellraum oder Wäschekammer - oder im Urlaub in einem leeren Zimmer
- Aufforderung an einzelne Kinder, andere Kinder zu schlagen.
Sexueller Missbrauch z. B.: - Zur-Schau-Stellung der sekundären Geschlechtsmerkmale
- Stimulierung und Erregung von Jugendlichen unter Einsatz des Waschlappens und Seife, wobei die direkte Berührung mit den Händen nicht ausgenommen war
- Fortführung dieser Stimulierungen bis zum Erguß - Aufforderung an junge Diakonische Helferinnen, die Erregung bei Jungen zu beobachten
- Anschließende Bestrafung dieser Jungen, weil sie angeblich "Schweine" seien. - Untersuchung der Brüste und des Intimbereiches auf Weiterentwicklung, wobei
vordergründig Büstenhalter angepasst werden sollten
Wir hoffen sehr, nun bald einen positiven Bescheid zu erhalten, damit die Opfer noch erleben können, dass Ihnen das Versagen der
Bundesrepublik, der Länder und der ausführenden Behörden leid tut.
Mit freundlichen Grüßen (Helmut Jacob) Sprecher
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