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Erinnerungen AG - Auszug aus einem Interview am 5. 2. 2008

Eine besonders schlimme Erfahrung hat sie gemacht, die sie bis heute nicht vergessen kann. 1952 kam ihre Mutter auf die Frauenstation, weil sie an Multipler Sklerose erkrankte. Sie, Anne, also ihre Tochter, die eine Etage höher auf der Kinderstation gelebt hat, durfte ihre Mutter nur einmal wöchentlich besuchen, aber nur, wenn auch ihr Vater gekommen war. Das war jeweils sonntags.

Sie wurde von den Schwestern gelegentlich geschlagen, da war sie erst 7 Jahre alt. Was aber besonders schlimm gewesen sei: Wenn sie unartig gewesen sei, hĂ€tte man sie die Nacht ĂŒber in ihrem Kinderbett in eine Badestube geschoben. Dort musste sie dann die gesamte Nacht ĂŒber verbleiben.

Am 05. Februar besuchte Helmut Jacob mit seiner Assistentin Ina HĂŒffer AG, um sie zu den Erlebnissen im JHH zu befragen.

AG wird zum besseren VerstÀndnis als Anne bezeichnet.

Anne erzĂ€hlte, sie sei am 01. 04. 1947 ins Johanna-Helenen-Heim gekommen. Die Schwestern hießen aus ihrer Erinnerung zu der Zeit Lina, Marta, Luise, eine weitere Lenchen. Die Hausleitung soll zu der Zeit Schwester Helene geheißen haben.

 Ihre Unterkunft war ein 13-Betten-Zimmer; ihr war auch ein anderes 8-Betten-Zimmer auf der selben Station in Erinnerung.

 Ob sie auf der Kinderstation Gewalterfahrungen gemacht habe? „Eindeutig ja!“ Sie wurde von den Schwestern gelegentlich geschlagen, da war sie erst 7 Jahre alt. Was aber besonders schlimm gewesen sei: Wenn sie unartig gewesen sei, hĂ€tte man sie die Nacht ĂŒber in ihrem Kinderbett in eine Badestube geschoben. Dort musste sie dann die gesamte Nacht ĂŒber verbleiben.

 Auf die Frage, wer sie denn verhauen habe, erzĂ€hlte Anne, dass sie von allen Schwestern ihrer Station verhauen wurde, außer von Lenchen. Lenchen hĂ€tte schon mal einige Dummheiten ĂŒbersehen, wenn sie ihr nur oft genug den RĂŒcken gekrault hĂ€tte. Ich habe nachgefragt, was sie damit konkret meine. Anne: Lenchen hĂ€tte es wohl gerne gehabt, wenn man ihr den RĂŒcken gekrault habe und dann hĂ€tte sie auch die eine oder andere Dummheit verziehen.

 MĂ€dchen und Jungen seien immer getrennt gewesen. Zu dieser Zeit wĂ€re Pastor Vietor Anstaltsleiter gewesen und zwar bis etwa 1957. Sie sei von 1947 bis 1955 auf der MĂ€dchenstation des Johanna-Helenen-Heims gewesen.

 Richtig brutale Gewalt habe sie etwa 1950 erlebt, als sie zum ersten Mal mit Lehrerin St. Kontakt hatte. Weil Anne eine BettnĂ€sserin war, hĂ€tte Lehrerin St. angeordnet, dass sie vom Verlassen der Kinderstation an, bis zum Eintreffen der Lehrerin auf dem Klo zu sitzen habe, damit sie sich noch einmal dort entleeren könne. Auf dem Klo wĂ€re es immer sehr kalt gewesen; sie hĂ€tte stĂ€ndig einen kalten Unterleib gehabt. Und so ist es dann passiert, dass sie öfter mal in der Klasse in die Hose gemacht hat. Wegen einem nichtigen Vorfall hĂ€tte die behinderte Lehrerin St. sie mit ihrem KrĂŒckstock grĂŒn und blau gehauen. ZunĂ€chst auf den Hintern. Nachdem sie dann aber zusammengebrochen war, habe die Lehrerin St. ihr den KrĂŒckstock mehrere Male ins Kreuz geschlagen. Als sie dies ihrem Vater erzĂ€hlte, habe er seine Tochter sofort genommen und wĂ€re mit ihr direkt zum Anstaltsleiter Pastor Vietor gegangen und ihm gedroht, die Lehrerin anzuzeigen. Vietor hĂ€tte gesagt: Bitte zeigen sie die Lehrerin nicht an, das ist die beste Lehrerin, die wir haben.

 Ob sie Gewalt auch durch die Lehrerin S. erfahren hĂ€tte. Nein, meinte Anne, dort wĂ€re sie im ersten Schuljahr gewesen. Lehrerin S. hĂ€tte ihr nichts getan.

 Nach dem Besuch des Anstaltsleiters habe Lehrerin St. sie völlig ignoriert. Sie habe sie nicht mehr abgefragt und ihr nicht die gleiche Zuwendung gegeben, wie andere Kinder sie erfahren hĂ€tten. Anne berichtete, dass sie nach diesem Vorfall nie wieder versetzt wurde, so dass sie also bis 1955 quasi das gleiche Schuljahr durchgemacht hĂ€tte. Ich habe sie gefragt, ob sie ein GefĂŒhl dafĂŒr Ă€ußern könnte, dass sie nicht mehr die Zuwendung dieser Lehrerin erfahren hat. Anne sagte, dass sie schon ein merkwĂŒrdiges GefĂŒhl gehabt hĂ€tte. Lediglich ab und zu, wenn sich niemand meldete, aber sie die Hand hob, wĂ€re auch sie zum Zuge gekommen.

 Ich fragte noch einmal: „Hast du nach einer gewissen Zeit nicht irgendeine andere Klasse besucht?“ Anne sagte: Nein, sie wĂ€re bis zum Fortgang aus der Schule in ein und der selben Klasse verblieben. Eines Tages hĂ€tte ihr Vater Anstaltsleiter Vietor nach Zeugnissen gefragt und Vietor habe dem Vater gesagt, Zeugnisse könne er nicht finden, aber das wĂ€re nicht so schlimm, Anne wĂŒrde sowieso ihr Leben lang in Volmarstein bleiben.

 Anne erzĂ€hlte, der Vater habe sie nach der BrutalitĂ€t der Lehrerin St. bei der Hand genommen und wĂ€re mit ihr auch zu einem Dr. K. in die Klinik gegangen. Dr. K. habe zum Vater nur so oder Ă€hnlich gesagt: So habe ich meinen Sohn auch gerade verhauen, weil er auf einen Baum geklettert ist.

 Anne erinnerte sich auch an die ZwangsfĂŒtterungen, die auch auf ihrer MĂ€dchenstation stattgefunden haben. Insbesondere blieb ihr im GedĂ€chtnis, dass es Graupensuppe gab.

 Ich habe sie noch einmal nach dem Beginn ihrer Gewalterfahrungen gefragt. Sie erzĂ€hlte, dass sie 1947 noch nicht diese Gewalt erfahren habe. Zwar habe sie manchmal eine Ohrfeige bekommen, aber prĂ€gend sei wohl ein Erlebnis etwa um 1949 herum gewesen, wo sie mit ihrem Bett ins Badezimmer gefahren wurde, weil sie laut in ihrem Zimmer getobt habe. Keiner half, allerdings war die TĂŒr offen, sie hĂ€tte Angst gehabt, das Badezimmer zu verlassen. Die erste ZwangsernĂ€hrung habe sie zwischen dem 7. und 8. Lebensjahr erfahren.

 Ihre Erinnerungen an ihre PubertĂ€t bezeichnete sie als „grauenvoll“. Damals hĂ€tte es keine richtigen Binden, sondern sogenannte „Strickbinden“  gegeben. Dieses seien Binden gewesen, die ihr an einem vorhandenen Gurt, den man wĂ€hrend der Menstruation zu der Zeit um die HĂŒfte trug, befestigt wurden. Wenn diese Binden verschmutzt waren, dann kamen sie in einen großen Bottich und wurden dort ausgekocht. Sie habe nicht immer richtig saubere Binden zurĂŒckbekommen. Auf die Frage, ob sie denn stĂ€ndig, wenn sie also das BedĂŒrfnis nach einer neuen Binde gehabt hĂ€tte, Zugriff auf eine solche gehabt hĂ€tte, antwortete sie, dass ihr diese Binden zugeteilt wurden. Jeweils eine morgens, eine mittags und eine abends. Und wenn sie sich dann die Hose dreckig gemacht habe, hĂ€tte es etwas gegeben. Ich fragte hinterher, was sie damit meinte und sie erzĂ€hlte: dann habe man ihr die Unterhose um die Ohren gehauen.

 Als unangenehm empfand sie auch, dass jeweils drei MĂ€dchen in einer Wanne gebadet wurden. Ich fragte sicherheitshalber, ob sie wohl hintereinander in einer WannenfĂŒllung gebadet wurden. Nein, es seien jeweils drei MĂ€dchen gewesen, die gleichzeitig in einer Wanne gebadet wurden. Sehr unangenehm wĂ€re es ihr auch gewesen, dass die Schwestern, obwohl sie sich unter Aufsicht gebadet hĂ€tte, im Intimbereich immer nachgewaschen hĂ€tten. Außerdem fĂŒhlte sie sich wĂ€hrend ihrer PubertĂ€t stĂ€ndig so unangenehm beobachtet.

 Ob die Gewalt in der Schule nur gelegentlich und in EinzelfĂ€llen vorgekommen sei, fragte ich sie. Nein, betonte sie, Gewalt hĂ€tte es tĂ€glich gegeben. Ob ein, drei, fĂŒnf oder gar zehn SchĂŒler oder SchĂŒlerinnen von dieser Gewalt betroffen waren, hakte ich nach. „Eindeutig ĂŒber zehn!“, betonte Anne mehrfach. Ob diese zehn jeweils tĂ€glich Gewalt erfahren hĂ€tten, fragte ich konkret. Nein, aber diese vielen SchĂŒler und SchĂŒlerinnen aus ihrer Klasse hĂ€tten immer wieder und hĂ€ufig Gewalt unter der Lehrerin St. erlitten.

 Eine besonders schlimme Erfahrung hat sie gemacht, die sie bis heute nicht vergessen kann. 1952 kam ihre Mutter auf die Frauenstation, weil sie an Multipler Sklerose erkrankte. Sie, Anne, also ihre Tochter, die eine Etage höher auf der Kinderstation gelebt hat, durfte ihre Mutter nur einmal wöchentlich besuchen, aber nur, wenn auch ihr Vater gekommen war. Das war jeweils sonntags. Auf die Frage, ob ich richtig gehört habe, dass sie nur einmal pro Woche ihre im selben Haus wohnende Mutter besuchen durfte, antwortete sie:“So war es.“

Sie habe erfahren, dass ihre Mutter trotz einer verwaschenen Stimme hĂ€ufiger gefragt hat, ob ihre Tochter sie nicht besuchen dĂŒrfe. Das habe man abgelehnt, es wĂ€re dabei geblieben, dass sie nur zusammen mit ihrem Vater ihre Mutter besuchen durfte. Diese Gemeinheit hat sich bis zum Tode der Mutter, im Dezember 1955, so zugetragen. Obwohl Anne bereits am 01. Mai. 1955 das Johanna-Helenen-Heim verlassen hat, habe man ihr bis zum Tod der Mutter nicht gestattet, außer an Sonntagen, die Mutter auf der Frauenstation zu besuchen. Voraussetzung war auch immer die Anwesenheit des Vaters.

 Dr. K. wĂ€re einmal im Monat zur Visite auf die Kinderstation gekommen. Dann hĂ€tten sich die Kinder jeweils in den SpeisesĂ€len versammelt. Die ZwischentĂŒr vom MĂ€dchenspeisesaal zum Jungenspeisesaal wĂ€re geschlossen worden. Dr. K. habe sie immer als Hexe bezeichnet.

 Wann denn nun endlich die Gewalt aufgehört hĂ€tte, fragte ich sie. Auf diese Frage hĂ€tte sie schon gewartet. DarĂŒber hĂ€tte sie auch mit Historiker Schmuhl gesprochen. In Wirklichkeit hĂ€tte die Gewalt auch noch Jahre spĂ€ter stattgefunden, zum Beispiel die psychische Gewalt durch die Hausleiterin F. des Hauses Bethesta und H. des Jugendwohnheims.

 An GĂŒnther Kirschbaum hat sie angenehme Erinnerungen. GĂŒnther Kirschbaum wĂ€re auch einer ihrer Trauzeugen gewesen. Wobei sie sich auch an die anderen DiakonenschĂŒler, die sie im Laufe dieser Zeit kennengelernt hat, angenehm erinnert.

 Eines ist ihr auch noch haften geblieben. Sie sah öfter durch das Klassenfenster, wenn Leichen entweder von der Klinik oder von anderen HĂ€usern den kleinen HĂŒgel vor dem Klassenfenster hinuntergetragen wurden und die TrĂ€ger dann eine Kehrtwendung machten, um ĂŒber die Außentreppe nach unten in den Leichenkeller zu gehen. Auch auf der Kinderstation wĂ€ren ganz zu Anfang gelegentlich Kinder gestorben, weil sie einem Typhusleiden erlegen waren. Die Schwestern hĂ€tten solche gestorbenen Kinder dann in ein kleines Zimmer getan und es zugeschlossen. Am anderen Tag hĂ€tte der Hausmeister Gustav G. und ein Diakon aus der Klinik dann das Kind hinuntergetragen.